Meditation mit Würfeln und Bleistift

Meine Wiederentedeckung von Solo-Spielbüchern, einem Achtziger-Hype

Und so kam es dazu…

Die besonders attraktive Cover-Illustration stammt vom britischen Künstler Les Edwards, der auch für das Box-Cover des sehr bekannten Fantasy-Brettspiels Hero Quest verantwortlich ist.

Als sich Deutschland vor gut zwei Wochen noch im eisigen Griff eines Dauerfrosts befand, habe ich sinnigerweise mein Exemplar von Ian Livingstones Caverns of the Snow Witch erhalten, der Neuauflage eines Fighting-Fantasy-Spielbuch-Klassikers von 1984. Zugegeben: Obwohl ich schon längere Zeit mit dem Gedanken gespielt hatte, mich nach mehrjähriger Abstinenz mal wieder mit Spielbüchern zu beschäftigen, habe ich in diesem Fall vor allem wegen des Verschenk-Preises von 1 Cent (!) zugeschlagen – es hätte sich aber auch für deutlich mehr Geld gelohnt.

Inzwischen habe ich ein marodierendes Monstrum gejagt und bin auf ein großes Geheimnis in den eisigen Nordlanden gestoßen. Diese höchst unterhaltsame Abenteuerreise hat mich dazu inspiriert, die Gattung der „guten alten“ Solo-Spielbücher in einem Blog-Artikel zu behandeln.

Der einsame Held

Manchmal möchte der Rollenspiel- und Fantasy-Fan Abenteuer erleben und fantastische Welten erkunden, obwohl gerade keine Rollenspielgruppe da ist. Vielleicht ist es spät am Abend, vielleicht sitzt er gerade im Zug (also nicht im Wind, sondern in einem Eisenbahnwagen 😉 ), vielleicht liegt er krank im Bett, vielleicht muss er in einem Café in einer anderen Stadt irgendwie eine Stunde herumkriegen – oder vielleicht ist gerade auch nur irgendein normaler Tag, an dem sonst nichts Besonderes los ist.

Das schreit förmlich nach… „Computerspielen“, würde manch ein an leistungsfähige, erschwingliche Laptops und Handy-Spiele gewöhnter Spieler des 21. Jahrhunderts nun vielleicht sagen. Und es stimmt natürlich. Das ist sicherlich auch der wichtigste Grund, warum die Produkte, die Hauptgegenstand dieses Artikels sind, ihren Status als fantastisches Solo-Unterhaltungs-Medium Nummer Eins eingebüßt haben – denn sogar topaktuelle Computerspiele lassen sich auf modernen Laptops problemlos spielen, ältere Titel sowieso.

Fantasie statt 16 Farben

Eine typische Spielbuch-Doppelseite: Fettgedruckte Abschnittsverweise und wundervoll ausdrucksstarke Illustrationen (Copyright: Gary Ward und Edward Crosby); man beachte die Würfeldarstellung auf der rechten Seite – eine „Daumenkino-Alternative“ für Spieler, die gerade keine richtigen W6 zur Hand hatten.

Anders sah die Welt noch in den Achtzigern und den frühen Neunzigern aus – der Hoch-Zeit der Abenteuer-Spielbücher und Solo-Abenteuer. Computerspiele konnten in der Regel nur auf dem heimischen Computer gespielt werden – wenn man denn überhaupt einen besaß – und selbst da waren sie damals noch längst nichts für jeden: Das Angebot war viel kleiner, und die Technik ermöglichte einfach noch keine realitätsnahen 3-D-Umgebungen, Render-Filmchen in Hollywood-Qualität oder große spielerische Freiheit. Damals sahen Bilder in der Fantasie – dem „Kopfkino“ – noch besser aus als die Bilder auf dem Monitor. Entsprechend waren die beliebtesten Solospiele unter Rollenspielern und Fantasy-Fans in viele kleine Abschnitte unterteilte Taschenbücher mit oft herrlich detaillierten Schwarz-Weiß-Illustrationen und einladend fatalistischen Titeln: Labyrinth des Todes, Forst der Finsternis, Tempel des Schreckens… 😀

Manche von ihnen enthielten gar keine Regel-Elemente, waren also eigentlich interaktive Romane; viele andere hatten entweder ein eigenes kleines Regelsystem oder basierten auf einem Gruppen-Rollenspielsystem. Zu letzterer Kategorie zählen die DSA-Solo-Abenteuer, die von Anfang an Bestandteil der Produktfamilie waren.

Und auch meine ersten Spielbuch-Erfahrungen habe ich mit einem DSA-Artikel gemacht – mit dem Schiff in der Flasche. Zu der Zeit hatte ich bereits meine ersten Gruppen-Rollenspiel-Abenteuer bestritten und war daher eigentlich (wenigstens scheinbar) uneingeschränkte Freiheit ohne nummerische Abschnitssverweise gewöhnt. Trotzdem (oder vielleicht gerade deshalb?) habe ich das „Solo-Rollenspiel“ nie als rückständig oder überholt empfunden – es war vielmehr eine willkommene Ergänzung zur wöchentlichen Zusammenkunft am Spieltisch.

Das Prinzip

Das DSA-Solo-Abenteuer Ein Stab aus Ulmenholz (von 1992) hatte eine besonders interessante Idee für zusätzliche Interaktivität: Der Spieler konnte selbst entscheiden, welches Talent er in welcher Situation einsetzen wollte – und daraus ergab sich dann eine Art „Kreuzreferenz-System“.

Natürlich spielt man Solo-Spielbücher anders als Gruppenabenteuer bzw. -kampagnen: Mit Papier, Bleistift und eins, zwei Würfeln in – möglichst bequemer – Reichweite lässt man sich auf einen in der zweiten grammatischen Person geschriebenen Text ein, der die jeweilige Situation erklärt. Danach folgt eine kurze Auflistung einiger vorgefertigter Handlungsalternativen (in der Regel zwischen 2 und 5), aus der man die am Sinnvollsten (oder Unterhaltsamsten) erscheinende auswählt und dann beim zugehörigen Abschnitt weiterliest. Dort wartet wieder das gleiche Prinzip auf einen und so geht es weiter, bis man das Ziel des jeweiligen Buchs erreicht hat oder aber das Leben der Spielfigur ein vorzeitiges Ende genommen hat.

Der Tod war ohnehin ein ständiger Begleiter in vielen Solo-Spielbüchern – sogar in denen ohne Regeln und Würfelwürfe. Dadurch wurde eine gewisse (manchmal ziemlich große) Herausforderung erzeugt, weil der ehrliche Spieler das Finale in der Regel nicht beim ersten Versuch erreichte. Natürlich gab es auch immer Leser, die auf Vorschriften wie „Sie sind tot und müssen wieder bei Abschnitt 1 beginnen“ gepfiffen haben und schlicht ein paar Abschnitte zurückgesprungen sind, um eine andere Alternative zu wählen. Aber die haben sich – so glaube ich – einen Großteil des Spaßes genommen.

Zen-Abenteuer

In Solo-Spielbüchern ging es eben um Selbstkontrolle. Nimmt man eine Herausforderung an (und ernst), auch wenn sie niemand überprüft? Würfelt man den Kampf gegen den Höhlentroll ehrlich aus und nimmt in Kauf, seinen mühsam durch mehr als hundert Abschnitte gelotsten Alter Ego jäh zu verlieren? Gibt man ehrlich zu, den Kristall der Dämmerung noch nicht gefunden zu haben, wenn man das Ding dringend braucht? Ein Spieler, der auf die Konsistenz der eigenen Fantasie-Erlebnisse Wert legte, beantwortete sich diese Fragen natürlich mit einem „Ja“ – auch wenn es eine auf eine gewisse Weise rituell-meditative Herangehensweise an das kleine Spielbuch erforderte.

Meditativ war der Charakter von Solo-Spielbüchern durchaus: Zunächst mal waren sie eine Art Roman, ein erzählender Text, der – um seine Wirkung zu entfalten – schon per se eine gewisse Versenkung und eine Ausblendung der Umgebung erforderte; dazu kam dann die eben angesprochene selbstkontrollierte Akzeptanz der Vorschriften und Regelmechanismen (wenn es denn welche gab). Zusammengenommen machten diese Apsekte die Solo-Spielbücher zu einem Fantasie-Erlebnis und Solo-Rollenspiel, dass nur dann gut funktionieren konnte, wenn der Leser/Spieler bereit war, eine gewisse Selbstdisziplin zu zeigen.

Persönlich habe ich mich in den allermeisten Fällen auf diese Eigenverwaltung eingelassen – auch, wenn die Würfel oft gegen mich waren oder wenn ich zum erneuten Mal eine Abzweigung in eine tödliche Falle gewählt hatte. So spürte ich immerhin persönlich, dass der Hexenmeister vom Flammenden Berg wirklich mächtig und böse sein musste, wo so viele tapfere junge Abenteurer schon auf dem Weg zu ihm gefallen waren… 🙂

Totgeglaubte…

„Gefallen waren„… Vergangenheitsform… Warum eigentlich? Ist das Solo-Spielbuch als Medium tatsächlich tot? Wird das vergnügliche Abschnittsspringen gar nicht mehr betrieben und gehört in die Zeit von Michael-Jackson-Hits, blauem Wassereis und AD&D?

Gleich vier Firmen zeigen uns, dass dem zum Glück nicht so ist: Wizard Books, Pegasus-Spiele und Ulisses-Spiele veröffentlichen aktuelle Bände verschiedener Spielbuch-Serien, während Chromatrix eine besondere, leicht ketzerische Idee hatte.

Fighting-Fantasy-Neuauflage

So sah Goldmanns deutsche Ausgabe zweier besonders bekannter Fighting-Fantasy-Bände aus. Im Englischen liefen sie unter den Titeln The Warlock of Firetop Mountain und Deathtrap Dungeon, respektive.

Wizard Books ist dabei wohl den massenwirksamsten Schritt gegangen: Sie haben 2002 die legendäre Fighting-Fantasy-Serie wiederbelebt, die in den frühen achtziger Jahren von den Briten Steve Jackson und Ian Livingstone (beide auch Mitbegründer der bekannten Firma Games Workshop) entwickelt wurde und das Prinzip des Fantasy-Spielbuchs (sehr) populär machte. 24 Bände der klassischen Serie wurden inzwischen von Wizard Books neu aufgelegt. Sie haben zwar eine neue, zeitgmäße Aufmachung (mit exzellenten und sehr zünftigen Cover-Illustrationen), die sehr hochwertigen und atmosphärischen Innen-Illustrationen wurden jedoch aus den Originalen von Penguin Books übernommen – so dass beim Spielen und bei der Lektüre Retro-Flair und eine ursprüngliche Fighting-Fantasy-Stimmung aufkommen. 5 komplette neue Bände wurden ebenfalls bereits (von 2005 bis 2007) geschrieben. Ich hoffe sehr, dass die Serie bald fortgesetzt wird – leider wurde die offizielle Fighting-Fantasy-Website von Wizard Books fast ein Jahr lang nicht mehr aktualisiert, und einige Links scheinen tot zu sein.

Die Fighting-Fantasy-Bücher sind Solo-Spielbücher im Reinformat. Sie sind alle unabhängig voneinander spielbar (obwohl es ein paar übergreifende Storys gibt), so dass man einfach mit einem beliebigen interessant erscheinenden Band beginnen kann. Sie haben ein eigenes kleines Regelsystem, das einem sehr simplen Gruppen-Rollenspiel-System entspricht und das am Anfang eines jeden Bandes auf wenigen Seiten erklärt wird. Als Spielmaterial braucht man zwei normale W6 und etwas zum Schreiben. Die Fighting-Fantasy-Abenteuer spielen in sehr klassischen Fantasy-Umgebungen (selten auch mal in einem Endzeit- oder Science-Fiction-Setting), in denen sich Freunde von Arche- und Stereotypen der Heroic- und High-Fantasy-Genres sofort zuhause fühlen. Die Spielfigur ist in der Regel ein einsamer Held, der mit einem Schwert und magischen Gegenständen gegen zahlreiche Monster und humanoide Widersacher kämpfen und sich durch potentiell hochgefährlichen Open-Air- und Dungeon-Gebieten bewegen muss.

Neue deutsche Originale

Dann hätten wir da den deutschen Verlag Pegasus-Spiele: Die führen seit 2005 neue Solo-Spielbücher unter dem Reihentitel Abenteuer-Spielbuch – unter dem in den Achtzigern und Neunzigern die deutschen Übersetzungen der Fighting-Fantasy-Adventure-Gamebooks im Goldmann-Verlag erschienen sind. Von den bisher sechs Büchern habe ich bisher noch keines selbst ausprobiert; während die Amazon.de-Kritiken zwar eher auf eine unterdurchschnittliche Qualität hindeuten, spiele ich trotzdem mit dem Gedanken, mir ein eigenes Bild von der Reihe zu machen. Immerhin finde ich es sehr begrüßenswert, dass Pegasus das Genre der Spielbücher in Deutschland wiederbeleben möchte. Als Besonderheit lässt sich anmerken, dass vier der Bände von Markus Heitz verfasst wurden, der ja mit dem Fantasy-Roman Die Zwerge einige Bekanntheit erlangte. Da ich auch diesen Roman bisher nicht gelesen habe, kann ich jedoch nicht sagen, was Herrn Heitz‘ maßgebliche Beteiligung für das qualitative Potential dieses Projekts bedeutet. Aber mal sehen…

DSA-Solo, gedruckt

Das ist mal ein Kriegsflegel… Das Cover des am 12. Juni 2008 bei Ulisses-Spiele erschienenen DSA-Solo-Abenteuer-Revivals Die Schwarze Eiche.

Und nun zu Ulisses: In der DSA-Produktfamilie ist 2008 nach langer Durststrecke ein neues sog. Solo-Abenteuer erschienen – unter dem Titel Die Schwarze Eiche. Das für DSA-Neulinge konzipierte Solo-Spielbuch ist laut Spielermeinungen auf der Website Wiki Aventurica auch für DSA-Kenner und erfahrene Spieler interessant und wurde beim Online-Laden Fantastic Shop recht gut bewertet und kommentiert. Gespielt habe ich Die Schwarze Eiche bisher auch noch nicht, habe aber gelesen, dass es in Andergast (einer meiner aventurischen Lieblingsregionen) angesiedelt ist und völlig neue Spielmechanismen in das Genre der Solo-Spielbücher bringen soll. Beide Aspekte sind eigentlich gute Gründe, diesem „DSA-Solo-Phönix-aus-der-Asche“ eine Chance zu geben. Ebenfals mal sehen…

DSA-Solo, digital

Der deutsche Software-Entwickler Chromatrix schließlich hat zwei Welten vereint: Von 2004 bis 2006 veröffentlichte er DSA-Solo-Abenteuer für Java-fähige Handys in der Reihe DSA Mobile. Vier davon waren digitale Umsetzungen klassischer gedruckter Solo-Abenteuer aus den Achtzigern (zum Teil mit abweichenden Titeln), die späteren 11 komplett neu und speziell für dieses Format entwickelte Abenteuer. Da der Text von DSA-Autoren geschrieben wurde, hatten die Storys der Handy-Solos allgemeine Aventurien-Relevanz.

Screenshot aus dem DSA-Mobile-Abenteuer Feuer und Asche; zahlreiche wichtige Abschnitte beginnen mit einer entsprechenden Grafik.

Persönlich habe ich das DSA-Mobile-Abenteuer Drachenfeuer von Thomas Finn ausprobiert, von dem ich – entgegen anfänglicher Erwartungen – nicht begeistert war. Das allgemeine Spielsystem war zwar solide und der Auftakt durchaus mitreißend und spannend, dann flaute das Vergnügen jedoch jäh ab. Ein ernsthaft ausgewürfelter Kampf gegen eine Scheunenkatze (!) und die inhaltliche Notwendigkeit, einen völlig belanglos wirkenden Gegenstand zu stehlen, waren für mich die negativen Höhepunkte dieses technisch recht solide gemachten Handy-Spiels.

2008 sattelte Chromatrix auf den PC um: Unter www.dsa-games.de veröffentlichen sie seitdem Solo-Abenteuer als Browser-Spiele. Sieben davon sind Adaptionen älterer DSA-Mobile-Spiele, zwei andere komplett neu. Die beiden neuen Abenteuer sind mit der Story des PC-Spiels Drakensang verknüpft, und eines von beiden – mit dem dem Titel Verschwörung in Ferdok – kann kostenlos gespielt werden.

Verschwörung in Ferdok wollte ich eigentlich eins, zwei Tage vor Erscheinen von Drakensang schnell durchgespielt haben – dann war aber zunächst keine Zeit da und schließlich war Drakensang schneller. Was ich bisher vom Spiel (und von der DSA-Browser-Spiel-Plattform allgemein) gesehen habe, sind ein nett gemachtes, übersichtliches Interface und ein flüssiges Gameplay. Wie gut das Abenteuer ist, weiß ich jedoch bisher nicht – ich habe gelesen, dass es sehr linear sein soll und außerdem keine komplette Story erzählt, sondern nur der Auftakt zum kostenpflichtigen (aber immerhin nur 4 € teuren) Todespfad ist. Sollte ich Drakensang ein zweites mal durchspielen, werde ich vielleicht auch die Verschwörung in Ferdok vorher komplettieren – aber das ist insgesamt ein eher ungewisses Szenario.

Alles in allem finde ich die Idee von DSA-Browser-Solo-Abenteuern sehr gut – die Oberfläche ist einfach wie gemacht dafür. Wirklich überzeugt bin ich von dem Konzept jedoch erst, wenn Chromatrix längere, eigenständige und anspruchsvollere (nicht unbedingt kampfintensivere) Abenteuer veröffentlicht. Gegen eine aktuelle Aventurien-Relevanz hätte ich dabei überhaupt nichts einzuwenden – im Gegenteil: Wenn DSA-Romane und gedruckte Solo-Abenteuer auf aktuelle Ereignisse Bezug nehmen oder sie sogar beeinflussen, dann soll das auch ruhig in Browser-Abenteuern der Fall sein.

Lang leben die Spielbücher!

Zur allgemeinen Betrachtung noch einmal zurückgekehrt, sind die Solo-Spielbücher also nicht tot – weder international noch in Deutschland speziell. Neue Interessenten und Wiederentdecker (so wie ich) haben aktuell viele Möglichkeiten, mit Würfeln und Bleistift bewaffnet meditative Reisen durch fantastische Abschnitts-Welten anzutreten. Und ich schlage allen Lesern hiermit vor, alte und noch nicht bestandene Solos wieder aus dem Regal zu holen oder sich an einer der vorgestellten Neuauflagen zu versuchen! 🙂

Mehrwert für Rollenspieler?

Wie weiter oben schon erwähnt, halte ich Solo-Spielbücher im Vergleich zu „richtigen“ Gruppen-Rollenspiel-Abenteuern nicht für rückständig oder überholt – sie sind ein eigenes Genre für ganz andere Situationen; ich möchte sie hier vielmehr mit Computerspielen oder eben Romanen vergleichen, denen man sich dann zuwendet, wenn gerade keine Möglichkeit auf ein gemeinschaftliches Abenteuererleben besteht. Immerhin enthalten die meisten Spielbücher Rollenspiel-Regelmechanismen und zünftige Fantasy-Umgebungen, die manch ein Gruppen-Rollenspieler sicherlich auch gerne mal im Alleingang erkundet.

Für einen Spielleiter sind Solo-Spielbücher zusätzlich aus dem Blickwinkel einer interaktiven Geschichte interessant. Zwar hoffe ich, dass kein Spielleiter seine Spieler derart einschränkt, dass er sie vor die Entscheidung zwischen „Tür 1, Tür 2 oder Tür 3“ stellt (ist Jörg Draeger eigentlich Rollenspieler? 😉 ), aber interessante Story-Ideen, Ereignisse und Wendungen enthalten viele der Bücher allemal – ebenso wie massensweise Ansätze und Inspirationen für Nichtspieler-Charaktere, Schauplätze oder dramatische Situationen. Ähnliches könnte man natürlich über fantastische Romane sagen – da Spielbuch-Welten jedoch „fürs Spielen“ optimiert sind und sie in der Perspektive des Helden bleiben, präsentieren sich die genannten Elemente hier wesentlich näher an einer Verwendungsmöglichkeit im Gruppen-Rollenspiel.

Letzlich besteht der (zugegeben recht diffuse) Zusammenhang zwischen Solo-Spielbuch und Gruppen-Rollenspiel darin, dass es sich bei beidem um Fantasie-Spiele handelt, die Spaß machen und fesseln sollen. Ein Spielleiter kann z.B. davon ausgehen, dass ein interessanter und packender Spielbuch-Grund-Plot mit überraschenden Entwicklungen und einem befriedigenden Finale durchaus eine adäquate Inspirationsquelle für Gruppen-Rollenspiel-Abenteuer sein kann. Andererseits wird er durch Spielbücher (wo er selbst quasi ein Spieler ist) vielleicht auch auf mögliche Schwachstellen und Probleme in Abenteuer-Konzepten aufmerksam und kann Entsprechendes in zukünftigen Eigenentwicklungen vermeiden.

Links zum Thema

7 Gedanken zu „Meditation mit Würfeln und Bleistift“

  1. Ich habe das Geheimnis der Zyklopen gespielt, einem „echten“ DSA-Spiel. Man wird im Verlauf der Handlung mehrmals automatisch niedergeschlagen und zum nächsten Handlungsort gebracht. Für das Abenteuer brauchte man nur zwei Dinge zu können: Kämpfen und Schwimmen. Gut, dass ich zu Beginn einen Thorwaler-Piraten gewählt hatte. 😛 Übrigens konnte ich maximal 11 der 12 Amulette finden, hat jemand alle geschafft?

  2. Ich habe das Geheimnis als gedruckte Version im Schrank stehen (in einer Neuauflage der DSA-Klassiker von 1993) und habe es auch schon mindestens dreimal angespielt, bisher jedoch noch nie nur annähernd komplettiert.

    Das wäre doch eine interessante Herausforderung… Hmm… 🙂

    Ich kann mich noch erinnern, dass das Abenteuer ein echter „Werner Fuchs“ war – was ich größtenteils positiv meine. 🙂

  3. Freut mich sehr, dass der Artikel gefallen hat. 🙂

    Thema Lone Wolf: Von den deutschen Neuauflagen wusste ich gar nichts – aber sehr cool! Ich habe mich mit der Reihe bisher nie viel beschäftigt, erinnere mich aber an exzellente Illustrationen (vom Talisman-Künstler Gary Chalk) sowie an diverse fernöstliche Elemente.

    Das Project Aon hatte ich vor zwei Jahren oder so schon einmal entdeckt, leider jedoch in einer sehr stressigen Phase, in der mir die Muße zum Solo-Spielen völlig fehlte. Es hätte eigentlich im Artikel erwähnt werden müssen – danke, dass Du darauf hinweist!

  4. Das ist ja witzig.
    Gerade gestern habe ich mit einem Kumpel ein altes Solo Abenteuer für Mers aus dem Schrank gekramt. Er wohnt nicht mehr in Deutschland und musste daher auch seine Rollenspielrunden verlassen. Er leidet ganz schön unter dem Entzug 🙂
    So richtig können die Solo-Abenteuer natürlich nicht das richtige Rollenspiel ersetzen, aber wir hatten unseren Spaß.

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